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Schätzchen des Monats: Janika Seitz und „die Datenbank“

1. Februar 2024

Der eifrige Drang zur Digitalisierung ging auch nicht am Schwulen Museum vorbei. In einem digitalen Labor haben wir, gerade zu Beginn der Corona-Pandemie, diverse Online-Projekte umgesetzt, darunter die Online-Ausstellung zu Love At First Fight!, das digitale Format Unknown Objects – Newly Told Stories und die Digitalisierungen der Fotobestände zu Jürgen Baldiga und Petra Gall. Janika Seitz befasst sich weniger mit dem „Was?“, als mit dem „Wie?“ des digitalen Wissensmanagements im SMU, und lässt uns an ihren Erkenntnissen teilhaben. Dieses Gespräch ist aber nicht ihr erstes Rodeo: bereits vor zwei Jahren befragten wir sie als Ehrenamtliche der SMU Bibliothek. Was seitdem passiert ist und welches vielseitiges und herausforderndes Schätzchen Janika mitgebracht hat, lest ihr hier.

Hallo Janika! 2021 haben wir dich bereits als Ehrenamtliche im Schwulen Museum sprechen dürfen. Heute sitzt du mit kürzeren Haaren vor mir, und bringst über die Frisur hinaus sicherlich noch andere, neue Facetten mit dir. Stellst du dich uns nochmal vor?

Über diese Frage bin ich das letzte Mal schon gestolpert, aber ich probiere es gerne nochmal: ich lebe seit zehn Jahren in Berlin, wovon ich die letzten drei am Schwulen Museum verbracht habe. Davor habe ich Literatur- und Kulturwissenschaften studiert und im wissenschaftlichen Bereich und Kulturbetrieb gearbeitet. Seit vorletztem Sommer bin ich Teil eines Digitalisierungsprojekts im SMU.

Wenn ich mich richtig erinnere, hast du den Fokus auf Digitalisierung auch in anderen Projekten in deinem Leben umgesetzt?

Genau, in der Mitte der Pandemie habe ich nochmal berufsbegleitend einen weiterbildenden Masterstudiengang namens Digitales Datenmanagement angefangen. Diesen Studiengang habe ich im Sommer 2023 beendet.

Herzlichen Glückwunsch!

Danke! (lacht) In meiner Masterarbeit habe ich eine empirische Studie über den Stand der Digitalisierung in queeren Archive durchgeführt. Meine Fragen waren: Wie werden bibliothekarische und archivische Bestände verwaltet? Wie ist der qualitative Stand dieser Daten? Diese wird in den kommenden Monaten wohl veröffentlicht. Dafür habe ich die Mitgliedsorganisationen von QueerSearch, einem Dachverband queerer Archive im deutschsprachigen Raum, also Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden befragt, zu dem auch das Schwule Museum gehört. Seit einem Jahr vertrete ich das SMU im Vorstand von QueerSearch. Ziel dieses Zusammenschlusses ist es, einen gemeinsamen Online-Katalog zu entwickeln, damit die Bestände der einzelnen Institutionen leichter zugänglich und sichtbarer werden.

Ähnlich machst du es ja gerade für den Petra-Gall-Bestand des Schwulen Museums…

Ja, den Bestand zu Frauen- und Lesbenbewegungen der 80er und 90er Jahre habe ich mitkuratiert. Das heißt, dass ich, zusammen mit meiner Kollegin Laura Niebuhr, verschiedene Foto-Serien ausgewählt und beschrieben habe, wir haben sie digitalisieren lassen und pflegen sie ins Datenbanksystem ein. Wir sind in den letzten Zügen dieses Projekts und gerade dabei, die Weitergabe an unsere Kooperationspartner*innen zu planen.

Gibt es in eurem Team eine bestimmte Arbeitsteilung?

Eine strikte Aufteilung gibt es da nicht, aber Lauri und ich haben schon unterschiedliche Bereiche, die wir beackern, einfach aufgrund unterschiedlicher Vorerfahrungen und Kompetenzen. Lauri kennt sich sehr viel besser mit Kunstgeschichte und Fotografie aus, also ist der Aufbau und Betrieb der Repro-Station ihre Expertise. Ich bin näher am Datenmanagement dran, wo ich gucke, wie dokumentiere ich was. Wissensmanagement ist etwas, was ich seit Längerem am Schwulen Museum etabliere: Wer weiß was? Gibt es Templates und Handreichungen? Wo ist Hilfreiches niedergeschrieben? Wie können wir Wissen nachnutzen? So anstrengend das mit so einer gewachsenen Datenstruktur wie bei der des SMUs sein kann, mache ich das gerne und bin darin Expertin.

Hast du eine Vorstellung, woher diese Leidenschaft kommt?

Ich bin immer schon fasziniert von Wissen an sich gewesen. Die Kulturwissenschaft ist ein tolles Studium, wenn man sich nicht auf ein bestimmtes Thema festlegen möchte. Beim Wissensmanagement geht es nicht darum, Wissen zu produzieren, sondern kann auf der Meta-Ebene Wissen verwalten. Das bringt mich in eine Position, die ganze Zeit mit spannenden Themen konfrontiert zu sein, ohne da bis ins Detail eintauchen zu müssen. Ich bleibe gerne auf dieser Zwischenebene und bin letzten Endes auch einfach gut darin, den Überblick zu behalten.

Ist bei dir privat auch alles so gut organisiert? Wie sieht zum Beispiel dein PC-Desktop aus?

Ich bin schon eine Person, die Dinge immer wieder an den gleichen Ort legt. Sonst bricht bei mir das Chaos aus. Auf meinem Desktop parke ich Dateien an einer Stelle, bis ich sie irgendwann in Ordner aufräume. Deshalb gibt es eine Müll-Ecke auf der einen und auf der anderen Seite einige Ordner.

Also sehr strukturiert, das passt! Welches Schätzchen hast du uns mitgebracht?

So richtig mitbringen konnte ich dieses Schätzchen nicht, aber um mir selber und dieser Arbeit treu zu bleiben, ist mein Schätzchen die Datenbank! Daten da reinzubekommen, sowie bereits vorhandene Daten zu pflegen, ist ein großer Teil meiner Tätigkeit. Die Datenbank des SMUs hat wirklich großes Potenzial, eigentlich könnte man mit ihr die gesamte Arbeit des Museums abbilden: Was gibt es für Leih-Vorgänge? Was haben wir bereits digitalisiert? Welche Objekte waren in welche Ausstellungen … Mein Traum wäre es auch, die Datenbank als Suchmaschine nutzen zu können: Was haben wir aus dem Jahr 1983? Dieses Potenzial erkunden wir gerade noch.

Was macht die Datenbank des Schwulen Museums so besonders?

Unsere Datenbank kann mit allem Möglichem bespielt werden. Mit ihr können wir sowohl unsere bibliothekarischen und archivarischen Bestände verwalten, als auch die Kunstsammlung, Personen, Geografika und Verwaltungsvorgänge. All das kann ein System abbilden! Ähnlich wie das Schwule Museum drei in einem – Archiv, Bibliothek und Museum – ist es auch unsere Datenbank.

Sehr queer von unserer Datenbank! Bits haben ja auch das Potenzial, alles zu werden, was sich programmieren lässt.

Ja, das ist wirklich eine queere Herangehensweise: eins in allem zu sein, sich nirgendwo festlegen zu wollen… Für eine Software ist das keine kleine Herausforderung.

Jetzt verlässt du das Schwule Museum im Mai, und lässt damit auch dein Schätzchen zurück…

Ich lege großen Wert darauf, zu dokumentieren, was wir in unserem Projekt gemacht haben bzw. welche Prozesse wir etabliert haben. Alle diese Learnings sollen in unserem Wiki gesichert werden und helfen die Digitalisierungsprozesse weiter am Laufen zu halten. Digitales Sammlungsmanagement ist ein fortwährender Prozess. Eigentlich hätte ich riesengroße Lust diese Prozesse im Schwulen Museum weiter mitzugestalten. Die To-Do Liste in meinem Kopf ist auf jeden Fall länger als mein Arbeitsvertrag (lacht).

Was steht danach für dich an?

Im Februar schließen Lauri und ich das Petra-Gall-Projekt ab, bis Mai haben wir dann noch Zeit für Dokumentation und Wissensweitergabe. Danach werde ich mich an Berliner Kulturinstitutionen umschauen, da bin ich recht zuversichtlich. Es gibt gerade recht viele Stellen, die mit digitalem Sammlungsmanagement und Kulturerbe zu tun haben. Ich habe gehört, dass an Häusern wie der Staatsbibliothek gehen in den nächsten Jahren an die 40% der Mitarbeitenden in Rente. Die Bundesregierung gibt auch beträchtliche Summen für den Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) aus; da werden jedes Jahr 90 Millionen  in den Aufbau von Plattformen für die Verfügbarmachung von Forschungsdaten gesteckt. Das ist ein sehr spannendes Feld! Eigentlich sind die Daten, die wir hier im Archiv haben, alle Nachlässe, Bilder und Zeitschriften, auch Forschungsdaten. Die sind zwar aufgrund ihres Erschließungsgrades oftmals nicht zugänglich, bieten dafür aber eine große Potenzial für z.B. Digital-Humanities-Projekte!

Das sind gute Aussichten und ein tolles Schlusswort. Danke Janika!

 

(Interview und Foto: mino Künze)